Delegationen aus Ohrid, Struga und Pogradec beim Ausarbeiten der grenzüberschreitenden „Wismarer Erklärung“

Politik heißt: Zusammenarbeiten

Bei sozialem Engagement wie in der Politik geht es um das Wohlergehen der Menschen. Frieder Weinhold zeigt in einem biografisch gehaltenen Beitrag, was ihn antreibt und welche Erfahrungen ihn geprägt haben.

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Es gibt im Leben Ereignisse, die einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Dazu gehört für mich die Mitarbeit beim Kirchentag 1981 in Dessau, in der damaligen DDR. In meiner Arbeitsgruppe ging es um Fragen des christlichen Engagements in einer feindlichen Umwelt. Anhand einer Bibelarbeit über die Offenbarung stellten wir fest, dass es bei Gott immer einen Weg und eine Hoffnung gibt, auch wenn die Situation ausweglos zu sein scheint. Diese Perspektive motivierte uns zu einem gesellschaftlichen Engagement mit deutlich christlicher Prägung, entgegen der vorherrschenden Ideologie.

Impulse aus dem Glauben

Der folgende Kirchentag im Lutherjahr 1983 trug den Titel: „Vertrauen wagen“ – ein Ausdruck, der sich mir tief eingeprägt hat. Ich wurde dadurch angeleitet, dem Partner oder politischen Konkurrenten einen Vertrauensvorschuss zu geben; eine Haltung, die gemeinsames Agieren erleichtert.

Und noch einen weiteren Impuls fand ich durch die Beschäftigung mit biblischen Texten (naheliegend, bei meinem Werdegang als Theologe). Ein Satz, der auch viele andere Christen motivierte: „Sucht der Stadt Bestes!“ (Jeremia 29,7). Ich will hier nicht den ganzen historischen Zusammenhang aufrollen; nur so viel, dass es sich um den Appell an eine kleine jüdische Gruppe handelte, sich trotz einer fremden Umgebung für das Gemeinwohl einzusetzen, also mit anderen zusammenzuarbeiten.

Agieren jenseits von Kirchenmauern

So habe ich mich schon in der Zeit meines hauptamtlichen Pastorendienstes bemüht, auch jenseits der Kirchenmauern Verantwortung wahrzunehmen. Dazu gehörte soziales Engagement ebenso wie die Arbeit mit Jugendlichen unterschiedlichster Couleur. Gleich nach der Deutschen Einheit habe ich bei der Gründung des Stadtjugendringes in Wismar mitgewirkt und war auch bei der Gründung der AEJMV (Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend in Mecklenburg Vorpommern) beteiligt. Für die AEJ nahm ich an ­Sitzungen des Landesjugendringes teil; hier ging es um das Einüben demokratischen Lebens und die Interessenwahrnehmung von Jugendlichen.

Demokratie leben

Gleichzeitig wuchs die Arbeit des CHW in Albanien. Dort sah ich viele ­Defizite in Verwaltung und Politik, die in der historischen Entwicklung begründet sind, wodurch ich die neuen Bedingungen in Wismar und Mecklenburg-Vorpommern zu schätzen lernte. Ich begann mich auch hier kommunalpolitisch zu engagieren. Mittlerweile bin ich Mitglied der Wismarer Bürgerschaft und des Kreistages des Landkreises Nordwestmecklenburg, jeweils in der CDU-Fraktion.

Eine klassische Prämisse in der Kommunalpolitik ist die Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg. Während des Wahlkampfs hängen ­Parteiplakate an den Straßenlaternen, doch sonst geht es einfach um Sachthemen und sinnvolle Entscheidungen für die Situation vor Ort. Der Kreistag denkt über Stadtgrenzen hinweg und in der Bürgerschaft fragen wir nicht, ob die Straße oder der Radweg „rot“, „grün“ oder „schwarz“ geplant wird.

Diese Erfahrung möchte ich auch mit meinen Freunden auf dem Balkan teilen. Im Februar 2016 konnten wir in Wismar mit dem Seminar für Mitglieder der Stadtverwaltungen aus Pogradec (Albanien), Ohrid und Struga (Mazedonien) und der abschließend unterzeichneten „Wismarer Erklärung“ einen guten Schritt hin zu verstärkter Kooperation erleben (siehe den Artikel auf Seite 7). Dabei machte ich die Erfahrung, dass mein kommunalpolitisches Engagement zu Hause die Voraussetzung dafür schuf, um bei den Stadtverwaltungen am Ohridsee Gehör zu finden.

Zusammenarbeit lernen heißt auch, Frieden und Wohlstand zu fördern. So gesehen ist politische Arbeit ein gutes Sozialprojekt.

Beitragsbild: Delegationen aus Ohrid, Struga und Pogradec beim Ausarbeiten der grenzüberschreitenden „Wismarer Erklärung“

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