Erste albanische Schriftzeugnisse aus dem Mittelalter
Die ersten schriftlichen Belege der albanischen Sprache sind datiert aus dem Jahre 1462. In dieser Zeit führte der berühmte Nationalheld Skanderbeg gegen die türkischen Besetzer Krieg. Das fand Unterstützung aus dem Vatikan, denn er kämpfte gegen die weitere Ausbreitung des osmanischen Reiches in Europa. In der Armee wurden Gottesdienste und religiöse Handlungen eingeführt, und dieser Bewegung entstammt das älteste gefundene Schriftstück „Formula e Pagëzimit“, die christliche Taufformel: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (1462). Sie entstammt einem Dokument, das geschrieben und gezeichnet wurde von Bischof Pal Engjëlli aus Durrës. Es soll die Anwohner in den umliegenden Dörfern anleiten, ihre Kinder zu taufen, wenn sie sie nicht zur Kirche bringen können.
Ein weiteres Zeugnis dieser mittelalterlichen Schriftkultur ist das „Ungjilli i Pashkëve“, eine albanische übersetzung des Osterevangeliums (Matthäus 27,62–66), ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert.
Sehnsucht nach dem Vaterland – die nachskanderbegsche Epoche
Ein bedeutender Teil des literarischen Mittelalters ist die nachskanderbegsche Epoche, die mit dem Tod des Nationalhelden 1468 durch die endgültige türkische Besetzung Albaniens eingeläutet wird. Viele Menschen verlassen in dieser Zeit exodusartig das Land und finden in Süditalien und Sizilien Zuflucht vor den Türken. Im Exil halten sie aber die Erinnerung an ihr albanisches Vaterland wach. Die schriftstellerischen Zeugnisse dieser Zeit umfassen vor allem Loblieder auf das Werk des großen Skanderbeg und seine leider vergangenen Siege über die Türken. Bekannte Schriftstellernamen der nach Italien emigrierten Albaner sind unter anderem Gjon Buzuku, Jeronim De Rada, Frang Bardhi.
Der Kampf um die nationale Freiheit
Die Bewegung der „nationalen Wiedergeburt“ wurde im 19. Jahrhundert zum Sprachrohr des Patriotismus in dem immer noch von den Türken besetzten Albanien. Im Land gab es nur wenige entwickelte türkische oder griechische Schulen, für eine höhere Bildung mit Hochschulstudium musste man ins Ausland gehen. So schrieben auch viele der Autoren von der Türkei aus, wo sie ihre Ausbildung absolviert hatten und oft für den osmanischen Staatsapparat arbeiteten.
Die albanische Sprache war in dieser Zeit verboten. Auch von Seiten der griechisch-orthodoxen Kirche kamen solche Restriktionen; sie wollte trotz der türkischen Vorherrschaft ihre eigene Sprache ausbreiten. Wer albanische Bücher besaß oder die albanische Sprache lernte, wurde mit dem Bann belegt. Trotzdem entstanden im Untergrund viele Werke, die die unterdrückten Albaner ermutigen sollten, ihr Land von der osmanischen Herrschaft zu befreien. Der Schriftsteller Asdren verfasste mit diesem Ziel den Text der heutigen albanischen Hymne, Naim Frashëri rief mit seinem Gedicht „Bagëti dhe bujqësi“ (Tierzucht und Landwirtschaft) in Metaphern der Naturbeschreibung versteckt zum Kampf gegen die Unterdrücker auf. Verschiedene Autoren schrieben erste Schulbücher der albanischen Sprache, die in Rumänien gedruckt und in die albanischen Siedlungsgebiete geschmuggelt wurden.
Herausragend sind dabei die Aktivitäten von Gjerazim Qiriazi, der anfangs in Monastir (heutiges mazedonisches Bitola, aber albanisches Siedlungsgebiet) Albanisch- und Griechischunterricht anbot und auch Gottesdienste in Albanisch einführte. Er gehörte einer evangelischen Missionsgesellschaft an und eröffnete in Korça (Südostalbanien) die erste Mädchenschule. Gegen den massiven Widerstand der Türken, aber auch der Griechen, setzten er und andere Christen sich für Bildung und albanische Sprache ein und knüpften damit die Jahrhunderte alte christliche Tradition des albanischen Volkes an.
Strömungen im 20. Jahrhundert
Im Jahre 1912 wurde in Albanien die Unabhängigkeit ausgerufen, so dass das Ziel der Autoren erreicht war und damit auch die Literatur eine Wendung nahm. Die Schriftsteller beschäftigten sich nun eher mit den politischen Kontroversen im Kampf um die Herrschaft im neugegründeten Staat. Fan Noli wird sogar deshalb aus Albanien vertrieben. Migjeni beschreibt sehr eindrucksvoll und offen das Elend und die Armut des Volkes unter König Zogu mit seinem Gedicht „Legjenda e Misrit“ (Legende vom Mais).
Ab 1945 dominiert der Einfluss der sowjetischen Literatur zum sozialistischen Realismus, die die kommunistische Ideologie verherrlicht, aber auch die Vergangenheit auswertet und zu bewältigen versucht. Kritische Töne kommen aufgrund des großen politischen Drucks nur versteckt zum Vorschein, wie in Dritero Agollis satirischem Roman „Rënia e shokut Zylo“ (Der Fall des Genossen Zylo), oder die Kritiker müssen wie Petro Marko in Gefängnis und Zwangslager dafür büßen.
Nach dem Zerbruch des kommunistischen Systems ist die albanische Literatur wieder aufgeblüht, obwohl oder auch weil viele der Schriftsteller ins Ausland gegangen sind, wie der bekannte Ismail Kadaré. Heute sind den Autoren aber auch Wege in die Archive anderer Länder offen, wo ein Großteil albanischer Geschichtszeugnisse auf seine Aufarbeitung wartet. So hat auch der jetzige Parlamentsabgeordnete Sabri Godo eine neuartige Lebensgeschichte des Nationalhelden Skanderbeg („Historia e Skenderbeut“) verfasst, die im Gegensatz zu den zahlreichen früheren literarischen Bearbeitungen dieses Stoffs auf fundierte wissenschaftliche Forschungen aus türkischen Archiven basiert.
Moderne Werke bearbeiten Themen wie die Exodus und Kosovokrise und suchen damit Orientierung in einer neuen Zeit.
Werke albanischer Schriftsteller ins Deutsche übersetzt:
- Chronik in Stein von Ismail Kadare, dtv Bd. 11554
- Konzert am Ende des Winters von Ismail Kadare, dtv Bd. 11970, 1995
- Kleine Saga aus dem Kerker von Besnik Mustafaj, Frankfurter Verlagsanstalt 1997
- Die albanische Braut von Fatos Kongoli, Meridiane Bd. 19, Ammann Verlag 1999
Ylli und Erminda Anastasi; aus: Albanienheft 2000