Albanien Landesinfos

Kaum ein Land Europas ist so unbekannt wie Albanien. „Kosovo“, „Albaner-Mafia“ und „Armut“ sind wohl die Stichworte, die Deutschen dazu einfallen – wenn überhaupt. Solche Klischees sagen aber mehr über das deutsche Fernsehprogramm aus als über Albanien selbst. Wer sich mit Land und Leuten beschäftigt, das Land vielleicht sogar mit offenen Augen selbst bereist, stößt auf viele interessante Überraschungen. Albanien ist eine Entdeckung wert!

Ein kleines Land am Rande Europas

Die Randlage auf der Balkanhalbinsel ist wohl einer der Gründe dafür, dass Albanien in Mitteleuropa so unbekannt ist. Das Land liegt zwischen den ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken Montenegro, Kosovo und Nordmazedonien im Norden bzw. Osten und Griechenland im Süden. Im Westen grenzt Albanien an die Adria bzw. das Ionische Meer, Italien ist an der schmalsten Stelle nur 71 km entfernt.

Die 362 km lange Küste besitzt viele Sand- und Kiesstrände; es haben sich einige Urlaubsorte entwickelt, aber auch die großen Häfen von Durrës und Vlora. Dahinter erstreckt sich ein mehr oder weniger flacher Küstenstreifen. Dieser Bereich ist fruchtbar und teilweise stark besiedelt; hier liegen viele der größeren Städte, auch der Ballungsraum um die Hauptstadt Tirana, die in den letzten Jahrzehnten sprunghaft gewachsen ist. Über zwei Drittel des Landes sind bergig (bis 2700m Höhe in den Albanischen Alpen). Das Bergland ist deutlich dünner besiedelt als die Küstenregion; viele ländliche Gebiete sind hier immer noch schwer zu erreichen und von der wirtschaftlichen Entwicklung abgeschnitten.

Albanienkarte
Albanienkarte (blau: Arbeitsorte von CHW/DA)
Albanische Flagge
Albanische Flagge mit Skanderbeg-Adler

Fotos: Wikimedia, Pixabay; Bild ganz oben: Skanderbeg-Platz in Tirana

Bevölkerung

Mit 28.748 Quadratkilometern ist Albanien etwas größer als Mecklenburg-Vorpommern und hat mit 2,8 Millionen fast doppelt so viele Einwohner. Die Bevölkerung besteht neben einigen Minderheiten (Griechen im Süden, Mazedonier, Roma, Aromunen) zu 82% aus Albanern und ist damit im Vergleich zu den Nachbarstaaten ethnisch sehr homogen. Das liegt auch daran, dass der Staat Albanien nur einen Teil der Albaner umfasst: Im Kosovo stellen Albaner die Bevölkerungsmehrheit (ca. 1,5 Mio), es gibt albanische Volksgruppen in Montenegro, Mazedonien, Griechenland und Italien. Und es gibt über drei Millionen Albaner, die das Land seit 1990 aus wirtschaftlichen Gründen verlassen haben und nun in westeuropäischen Ländern leben, in Amerika, der Türkei, der Ukraine und Ägypten.

Vor 1990 hatte Albanien die höchste Geburtenrate Europas (Verhütungsmittel waren verboten), heute liegt sie unter dem europäischen Durchschnitt. Dieser Umstand, aber auch die anhaltende Abwanderung gerade junger Menschen ins Ausland bewirken eine stetige Alterung der albanischen Bevölkerung. Dazu kommt die Landflucht: Seit 1990 sind viele Albaner vom Land in die Städte gezogen. Tirana wuchs in diesem Zeitraum von 250.000 auf über eine Million Einwohner. Das Land und nicht wenige Kleinstädte veröden dagegen regelrecht; im Gebirge und im Süden sind schon zahlreiche Dörfer verlassen.

Sprache und Kultur

Die albanische Sprache ist eigenständig; sie ist weder mit benachbarten slawischen Sprachen noch mit Griechisch oder Türkisch verwandt. Ihre Ursprünge sind unbekannt. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden im Zuge der Nationalbewegung (Rilindja = Wiedergeburt) ein albanisches Alphabet und Wörterbücher erarbeitet und Zeitungen in albanischer Sprache herausgegeben.

Café Tirana
Stadt oder Land: Albanien ist das Land mit der höchsten Café-Dichte weltweit
Lebensmittelmarkt
Lebensmittelmarkt in Pogradec
Traditionelles Landleben: Sofra-Tisch, Byrek-Brett, Bergtee, handgearbeiteter Teppich
Traditionelles Landleben: Sofra-Tisch, Byrek-Brett, Bergtee, handgearbeiteter Teppich
Maultier-Transport
Esel und Maultiere sind auf dem Land noch immer gebräuchliche Transportmittel

Fotos: Lars Häfner, Axel Ermke, Matthias Pommranz

Traditionell ist die albanische Kultur von bäuerlicher Arbeit und vom Zusammenhalt der Familien geprägt. Davon zeugt der Kanun: Eine frühe Gesetzsammlung, die mündlich überliefert wurde. Sie regelte das Zusammenleben z.B. zwischen Mann und Frau, aber auch Themen wie Ehre, Gastfreundschaft und Erben. Schon immer gab es aber auch starke Einflüsse von außen, bedingt durch politische Vorherrschaft, aber auch durch Handel und Wirtschaft. Davon zeugen viele Lehnswörter aus dem Lateinischen und Altgriechischen, aus dem Türkischen, Französischen und Italienischen.

Durch die frühere Zugehörigkeit zum Osmanischen Reich sehen sich viele Albaner als Moslems, ca. 60%. Etwa 20% sind orthodoxe Christen (v.a. im Süden), etwa 10% Katholiken. Die restlichen 10% gehören anderen Religionen an oder bezeichnen sich als Atheisten. Traditionell besteht in Albanien ein tolerantes Miteinander der verschiedenen Religionen.

Illyrer, Skanderbeg und die Osmanen

Die Albaner haben erst spät zu einem eigenen Nationalstaat gefunden. Viele Historiker führen die Albaner auf die Stämme der Illyrer zurück, die in der Antike in diesem Gebiet siedelten. Nach mehreren Kriegen wurde die Region als Provinz „Illyricum“ Teil des Römischen Reichs und nahm früh den christlichen Glauben an; schon der Apostel Paulus war in Illyrien, Apollos soll Bischof in Dyrrachion (Durrës) gewesen sein.

Selce
Illyrische Königsgräber von Selce
Butrint
Amphitheater und Ruinen in Butrint
Butrint, Baptisterium
Butrint, frühchristliches Baptisterium
Berat
Historisches Stadtbild von Berat, osmanische Epoche

Fotos: Hans-Otto Weinhold, Abenteuer Albanien / Unsplash, Frieder Weinhold, Matthias Pommranz

In den folgenden Jahrhunderten gehörte Albanien mal zu Byzanz, dann zum Bulgarischen Reich oder zu anderen auswärtigen Kräften und zerfiel in zahlreiche kleine Fürstentümer. Mitte des 15. Jahrhunderts gelang es dem Fürsten Skanderbeg aus Kruja, die Albaner zum Kampf gegen die vordringenden Osmanen zu einen – anfangs mit Erfolg. Doch da die Unterstützung durch andere christliche Länder ausblieb, fiel das Gebiet nach seinem Tod an das Osmanische Reich. Bis heute ist Skanderbeg jedoch der albanische Nationalheld schlechthin; sein Wappen, der schwarze Adler auf rotem Grund, bildet die albanische Flagge.

Während fünfhundert Jahren osmanischer Herrschaft trat die Mehrheit der Bevölkerung zum Islam über. Dadurch machten nicht wenige Albaner Karriere in der osmanischen Verwaltung und im Heer und erlangten Stellungen, die den christlichen Untertanen des Sultans verschlossen blieben.

Erst Ende des 19. Jahrunderts begann sich eine albanische Nationalbewegung zu entwickeln, die eine einheitliche albanische Sprache, Schrift und Kultur entwickelte und nach dem Zusammenbruch des osmanischen Reichs für einen eigenen Staat kämpfte – gegen Widerstände von Serbien, Griechenland und anderen Mächten. 1912 gab es erstmals ein Land „Albanien“. Von Anfang an war es ein schwacher Staat mit einer breiten ländlichen Bevölkerung und einer kleinen Bürgerschicht. Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat Albanien fast alle Regierungsformen erlebt: Fürstentum, ausländische Besatzung, Nationalstaat, selbsternanntes Königtum, faschistische Besatzung, kommunistische Diktatur, parlamentarische Demokratie.

Vom Stalinismus zur Demokratie

Bis heute ist die albanische Gesellschaft von den Auswirkungen der stalinistischen Diktatur geprägt. 1944 übernahmen die Kommunisten unter Enver Hoxha die Macht und errichteten in Albanien eines der radikalsten kommunistischen Systeme überhaupt. Die Bevölkerung litt unter Staatsterror, privater Besitz und Religionsausübung waren völlig verboten – das Land bezeichnete sich als ersten atheisten Staat der Welt. Nachdem sich die Führung erst mit Jugoslawien, dann mit der Sowjetunion und dann auch mit China überworfen hatte, war Albanien das isolierteste Land Europas. Paranoides Denkmal dieser Epoche sind ca. 750.000 Bunker, die im ganzen Land errichtet wurden, als Schutz gegen einen angeblichen Einfall der Nachbarstaaten.

Das kommunistische Regime hielt sich nach Enver Hoxhas Tod im Jahr 1985 noch einige Jahre. Im Herbst 1990 konnte die Führung die Proteste der Bevölkerung jedoch nicht mehr unterdrücken und es begann ein schwieriger politischer und wirtschaftlicher Reformprozess. Die katastrophale Versorgungslage führte zu einer Massenflucht: Über 10.000 Menschen gelangten an Bord des Frachters „Vlora“ ins italienische Bari, Hunderttausende folgten ihnen. Als im Januar 1997 viele Sparer durch den Bankrott von Geldanlagefonds (Pyramidenspiele) ihr gesamtes Vermögen verloren, kam es zu den sogenannten Lotterie-Aufständen; im März wurde über das ganze Land der Ausnahmezustand verhängt. Erst nach dem Einsatz internationaler Truppen konnte die Ordnung wiederhergestellt werden.

Nach der Annahme einer neuen Verfassung 1998 und weiteren Reformen hat sich die politische Lage verbessert. Bei der Kosovo-Krise 1999 hat die albanische Gesellschaft eine Welle von 300.000 Flüchtlingen gemeistert und zur Stabilität in der Region beigetragen. Heute orientiert sich Albanien bei seinen Reformen und bei der Bewältigung seiner anhaltenden wirtschaftlichen Probleme vor allem an den westlichen Staaten; das Land ist Mitglied der UNO sowie der NATO und ist seit 2014 EU-Beitrittskandidat.

Nationalmuseum
Sozialistischer Idealismus: Mosaik am Nationalmuseum in Tirana
Pogradec 1992
Sozialistischer Realismus: Pogradec 1992
Ehemaliges Bergwerk
Industrieruinen finden sich im ganzen Land
Bunker mit Esel
Ebenso Bunker zur Landesverteidigung – 750.000 sollen es gewesen sein

Fotos: Frieder Weinhold, Jochen Blanken, Paul Blenkhorn / Unsplash

Auf Unterstützung angewiesen

Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft war Albanien ein funktionsunfähiger Staat, das „Armenhaus Europas“. Der Aufbau gesellschaftlicher Strukturen und der Wirtschaft war ohne ausländische Unterstützung nicht möglich: durch die Europäische Union und Staaten wie Deutschland und Italien, durch ausländische Investoren und durch die vielen Auslandsalbaner, die Geld an ihre Familien schicken und so einen wichtigen Beitrag zur albanischen Wirtschaft leisten.

Verschiedene Hilfsorganisationen wie der Christliche Hilfsverein Wismar e.V. / Albanienhilfe engagieren sich in Albanien. Seit dem ersten Transport 1992 haben wir bei zahlreichen Einsätzen nötige Hilfe gebracht und soziale wie kirchliche Aufbauarbeit geleistet. Wie wichtig diese Hilfe auch heute noch ist, erfahren wir bei jedem Besuch in „unseren“ Dörfern.

Touristisch immer interessanter

Lange Zeit war Albanien als Urlaubsland ein Exot. Jahrzehntelange Selbstisolation sowie, nach der Wende, Armut und mangelnde Verkehrs- und Hotelinfrastruktur: Das Land wurde vor allem von Abenteurern bereist und von Menschen, die gerade der Reiz des Unbekannten lockte.

In den letzten Jahren hat der Tourismus in Albanien jedoch zugenommen. Das Balkanland überzeugt durch reizvolle Landschaften, von der Adriaküste bis zu den Bergen, eine gesunde, mediterrane Küche und die traditionelle große Gastfreundschaft. Die touristische Infrastruktur wächst, vor allem an der Küste. Die Regierung fördert den Ausbau des Tourismus; so wurde neben dem Hauptflughafen in Tirana ein zweiter internationaler Flughafen in Kukës (Nordalbanien) eröffnet, ein weiterer bei Vlora im Süden soll folgen. Und wer etwas Zeit hat, kann auch mit dem Auto anreisen – interessant sind die Routen über die Alpen und durch den Balkan allemal.

Tirana
Die albanische Hauptstadt Tirana aus Drohnen-Perspektive
Gjirokastra
Historisches Stadtbild in Gjirokastra
Saranda
Saranda an der Albanischen Riviera
Koman-See
Fähre auf dem Koman-See

Fotos: Freepik, Pixabay, Abenteuer Albanien / Unsplash, Wikimedia

Stadt und Land

Pulsierende Städte, historische Stätten, ruhige Badestrände an der Adria, atemberaubende Berglandschaften, Outdoor-Aktivitäten (Bergwandern, Touren mit Fahrrad oder Geländewagen, Rafting) – als Reiseland hat Albanien viele attraktive Seiten und ist eine Entdeckungsreise wert. Wer abseits der Städte übers Land fährt, sollte noch immer etwas Abenteuerlust mitbringen, wird aber von der Begegnung mit einer ursprünglichen Lebensweise und der traditionellen albanischen Gastfreundschaft belohnt. Einige bekannte Ziele, von Nord nach Süd:

  • Albanische Alpen mit hohen Bergen, dem Fjord-ähnlichen Koman-Stausee und dem ursprünglichen Bergdorf Theth
  • Shkodra: Kulturelles Zentrum Nordalbaniens; der Shkodra-See ist der größte See auf dem Balkan und ein wichtiges Vogelschutzgebiet
  • Tirana: Die Hauptstadt ist das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes, mit Museen, Kunstgalerien und einem pulsierenden Großstadtleben
  • Berat, Gjirokastra, Butrint: Historische Städte im Süden, die zum UNESCO-Welterbe zählen
  • Ohridsee mit Pogradec und Ohrid (Nordmazedonien): zweitgrößter See des Balkans und einer der ältesten Seen der Erde mit teils einzigartiger Fauna, ebenfalls UNESCO-Welterbe
  • Vlora, Saranda, Albanische Riviera: Zentrum des Badetourismus mit großen Hotelanlagen, aber auch vielen ruhigen Ferienwohnungen in kleinen Dörfern

Reisen in Albanien

Albanien ist ein sicheres Reiseland, Kleinkriminalität ist selten. Das Klima ist im Sommer heiß und im Winter regnerisch, in den Bergregionen milder und mit viel Schnee im Winter. Frühjahr und Herbst sind meist angenehme Reisezeiten.

Ein Visum ist nicht erforderlich, für die Einreise genügt der deutsche Reisepass. Landeswährung ist der Albanische Lek (ALL); der Umtausch erfolgt am besten vor Ort bei der Einreise am Flughafen oder in Wechselstuben in den Städten. Girokarten (V-Pay) funktionieren an albanischen Geldautomaten nicht, Kreditkarten (Master, Visa) werden aber akzeptiert.

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