Gerina Stechow

Als Albanerin in Deutschland

Gerina Stechow kam 1998 von Albanien nach Deutschland. Im Albanienheft 2016 erzählt sie über die Schwierigkeiten und wie sie eine neue Heimat gefunden hat.

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Ich lehne mich zurück und denke an die Jahre, die ich in ­Deutschland verbracht habe – fast so viele wie davor in meinem Herkunftsland. Wo ist meine Heimat? Albanien, ein Land voller Gegensätze und Widersprüche? Oder Deutschland, ein Land voller Gegensätze und Widersprüche, aber auch der Per­spektive?

Schon lange ist Deutschland meine Heimat geworden. Geboren und aufgewachsen bin ich jedoch in Tirana, der Hauptstadt Albaniens, wo heute noch meine Eltern und mein Bruder wohnen. Dort hatte ich eine schöne Kindheit. Wo sich heute zu Stoßzeiten Auto an Auto reiht, ­konnte ich früher mit meinen Freunden ungestört Ball spielen. Die politische Wende in Albanien habe ich zunächst als ­Segen erlebt: Wir durften verreisen und über den Tellerrand schauen – eine völlig neue Erfahrung. Die neue Freiheit brachte aber auch Unsicherheit mit sich. Viele wurden arbeitslos. ­Fabriken und Institutionen wurden geschlossen, damit ging auch oftmals die Perspektive auf eine Zukunft im eigenen Land verloren. Die Menschen verließen zu Tausenden die Heimat, um ihr Glück vor allem in Italien und Griechenland, aber auch in Deutschland zu suchen.

Ende 1998 kam ich nach Schleswig-Holstein, um in einer ­Familie als „Au Pair“ tätig zu sein. Mein Ziel war, Deutsch zu lernen und dann zu ­studieren. Ich mochte die Sprache und konnte innerhalb eines ­Jahres fließend Deutsch. Hier zu studieren war jedoch schwierig, weil meine albanische Hochschulreife leider nicht anerkannt wurde und ich sie erst nachholen musste. Freunde in Nordfriesland, die ich in Albanien kennengelernt hatte, waren mir in den ersten Jahren eine große Hilfe. Sie standen mir mit Rat, Tat und nicht zuletzt mit einem Stipendium aus einer privaten Stiftung zur Seite.

Nicht alles war so einfach wie es auf dem Papier zu sein scheint. ­Meinen Wunsch zu studieren musste ich verwerfen, konnte aber eine Ausbildung zur Gesundheits-Kinderkrankenpflegerin beginnen und auch abschließen. Während der Ausbildung machte ich sehr viele positive Erfahrungen mit Patienten und Kollegen, wurde aber auch mit Vorurteilen konfrontiert. In dieser Zeit – wie auch heute noch – waren mir mein Mann Christian und mein Freundeskreis wichtige Stützen, ohne die ich wahrscheinlich nicht durchgehalten hätte.

Mit Christian bin ich nun viele Jahre glücklich verheiratet. Unser Glück wurde vollkommen mit dem Familienzuwachs durch unsere Töchter. Das ist für mich Heimat: Der Ort, an dem die Menschen sind, die ich liebe und schätze. Wenn ich heute wieder einmal nach Albanien komme, vermisse ich mein Zuhause in Kiel. Tirana ist mir fremd geworden; die Stadt ist nicht mehr wiederzuerkennen. Meine früheren Freunde sind größtenteils nicht mehr da, sondern in alle Welt verstreut. Nur meine Herkunftsfamilie bildet dort den Fixstern, die Konstante für mich. Ich freue mich immer wieder sehr auf ein Wiedersehen. Und dank der neuen Kommunikationsmöglichkeiten ist heute auch ein regelmäßiger Kontakt möglich; nicht nur zur Familie, sondern auch zu Freunden in der ganzen Welt.

Ich bin sehr dankbar für das, was ich in Deutschland erreichen konnte.

Gerina Stechow

Albaner im Ausland

Albaner in Europa

Von 1989 bis 2004 haben rund eine Million Menschen Albanien verlassen (zum Vergleich: das Land hat heute ca. 3 Mio Einwohner), ­weitere 400.000 Albaner sind aus dem Kosovo emigriert. Neben Griechenland und Italien leben viele Albaner in der Türkei, in Deutschland, der Schweiz und anderen europäischen Ländern sowie in den USA. Die Überweisungen der Auslands­albaner spielen eine wichtige Rolle für die Familien in der Heimat.  (Quelle: wikipedia)

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