Es gibt wohl kaum ein anderes Land mit so vielen Cafés selbst in den verstecktesten Stadtvierteln und abgelegensten Dörfern wie Albanien: Bei ca. 19.000 Cafés im ganzen Land kommt auf jeweils 150 Einwohner ein Café. Alle diese Cafés leben davon, dass „der Kaffee“ quasi den sozialen Kitt der Gesellschaft bildet. Beim Kaffee kommt es zu Begegnungen jeder Art, dort werden Bekanntschaften aufgefrischt, Freundschaften geschlossen, Ehen angebahnt und vieles mehr. Selbst bei beruflichen Belangen oder in geschäftlichen Gesprächen ist Kaffee unerlässlich. Das Ende einer Geschäftsbesprechung endet häufig mit der Aufforderung „Pimë edhe një kafe!“ (Jetzt trinken wir noch einen Kaffee).
Fotos: Jochen Blanken, Lars Häfner
Das in Deutschland beliebte Nachmittagstreffen auf „Kaffee und Kuchen“ ist in Albanien nicht üblich. Vor oder während eines Essens wird hier kein Kaffee getrunken, jede Mahlzeit muss jedoch mit einem Kaffee beendet werden. Zum Frühstück oder gar vor dem Frühstück Kaffee zu trinken, ist vollkommen unüblich; ebenso undenkbar ist, sein Frühstück ohne Kaffee zu beenden. Der gemeinsame Kaffee steht am Ende jeglicher Begegnung.
Nach großen Feiern brechen albanische Gäste selbst dann nicht nach Hause auf, wenn sie zu später Nacht erschöpft sind. Solange der Gastgeber keinen Kaffee serviert, möchte er die Feier noch nicht beenden; sobald jedoch der Kaffee gekommen ist, verabschieden sich die Gäste umgehend. Kaffee zu servieren, bedeutet eine unmissverständliche Aufforderung, nun zu gehen. Nur „unhöfliche“ Ausländer bleiben selbst nach dem Kaffee noch gemütlich zusammen, wenn ihnen danach ist.
Große Becher Kaffee, gar noch Filterkaffee in großen Mengen, sind für Albaner/innen kein Kaffeevergnügen. Seinen Kaffee muss er/sie genießen und in kleinen Schlückchen trinken. Als Ekspres sollte er stark sein, schwarz, gerne auch süß. Doppelte Portionen (kafe dopje) verlangen fast nur Ausländer; ein Albaner bestellt lieber nach einiger Zeit einen zweiten „Ekspres“.
Die Krönung des Kaffeegenusses ist und bleibt aber der „kafe turke“: Zunächst wird der Gast nach seinem Geschmack gefragt; pa?, me pak?, me shumë? (ohne, wenig, viel Zucker?). Auf einem kleinen Gaskocher wird der möglichst frisch und sehr fein gemahlene Kaffee zusammen mit der gewünschten Zuckermenge in einem kleinen Henkeltopf (tepsi) aufgekocht, und zwar jede Tasse einzeln mit besonderer Sorgfalt. Die Kunst besteht darin, den Moment zu finden, in dem der aufwallende Kaffee den feinsten Schaum bildet. Schäumt der Kaffee, muss er von der Flamme genommen werden. Geschieht dies zu früh, hat er zu wenig Schaum; wenige Sekunden zu lange, und schon ist der Schaum zusammengefallen.
Der Kaffee bietet allerdings noch mehr. Nachdem man ihn geschlürft hat, sollte die Tasse umgedreht und der Kaffeesatz auf die Untertasse gekippt werden. Dann kann eine „weise Frau“ im Kaffeesatz lesen und daraus dem Gast die Zukunft deuten.
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