Es lohnt sich auch, abseits der großen Routen zu fahren, denn die Landschaften sind wunderschön. Die Küstenlinien des ehemaligen Jugoslawien mit den alten Hafenstädten sind allgemein bekannter, doch im Landesinneren gibt es tiefeingeschnittene Täler in hohen Gebirgen und herrliche Seen – so schön, dass ein privater Urlaub nur zu empfehlen ist.
Von Haus zu Haus
Das letzte Stück unserer Fahrt ging zu dem hoch in den albanischen Bergen gelegenen Dorf Holtas. Diese Etappe war abenteuerlich; wir fuhren kilometerweit durch ein steiniges Flussbett, dann über steile, schmale Wege – das gebräuchliche Transportmittel in dieser Gegend ist der Maulesel. Schließlich kamen wir (sieben Deutsche und zehn Albaner) an der Schule in Holtas an. Aber wo waren die Häuser? Sie liegen weit verstreut am Hang, jeweils auf eigenem Grund und Boden, der die Lebensgrundlage für die Familie bildet.
Als wir das erste Haus besuchten, standen wir vor einem Abgrund, der unlängst durch einen Erdrutsch entstanden war. Dann trafen wir auf einen Hirten, der mit einer Flinte bewaffnet war, nach seiner Auskunft gegen Wölfe und Bären, wahrscheinlicher aber gegen wilde Hunde. Wir besuchten alle Häuser. Um den Menschen ein Gefühl der Verbundenheit zu geben, hatten wir kleine Geschenke mitgebracht. Wir erkundigten uns nach ihren Lebensumständen und Problemen. Überall wurden wir freundlich aufgenommen, mit gutem Mokka bewirtet. Für die Herren gab es „Raki“ und die Frauen wurden mit Pflaumensaft verköstigt. Trotz der Einfachheit sind die Menschen fröhlich.
Besondere Begegnungen
Einige Male waren wir abends sehr überrascht. Die Jugendlichen und Kinder trafen sich auf dem Platz vor der Schule und tanzten bis Mitternacht mit großem Vergnügen – nicht die Pop-Tänze unserer Jugendlichen, sondern ihre alten und anspruchsvollen Volkstänze. Das war sehr schön anzusehen, mitzutanzen aber etwas schwierig.
Den Höhepunkt der Reise bildete ein sonntäglicher Gottesdienst im Freien mit einer Predigt von Frieder Weinhold und der Ansprache eines albanischen Musiklehrers. Albanische und deutsche Lieder wurden mit Musikbegleitung gesungen. Auch die Kinder des Dorfes gestalteten Beiträge. Wir hatten alle Sitzmöglichkeiten einschließlich der alten, aber zweckmäßigen Schulbänke herausgetragen und alle Plätze waren besetzt, etwa 80 in der Zahl.
Man muss wissen: Unter dem Diktator Enver Hoxha war Religionsausübung verboten; stattdessen mussten die Schüler die Reden ihres Gewaltherrschers auswendig lernen. Ein Sonntag hat sich nicht vom Alltag unterschieden. Das Bedürfnis nach einem Glauben ist aber offensichtlich vorhanden und in diesem Sinne wollten wir wirken.
Text: Dr. Reiner und Birthe Schulze, Frieder Weinhold
Fotos: Frieder Weinhold, Reinhard Poppe, Manjola Lushka