Malerische Vorbilder hatte Anastas Kostandini, genannt Taso, nie. Geboren wurde er am 29. Juli
1954 in Pogradec. Mit 14 Jahren wurde sein Talent entdeckt, gefördert und gefordert. An der Kunstakademie in Tirana erhielt er bis 1978 eine gute technische Ausbildung. Dort fehlten ihm aber die westlichen Referenzen; europäische Einflüsse, vor allem die des 20. Jahrhunderts, konnte er nur über Bücher aufnehmen. Beindruckt und beeinflusst hat ihn Albrecht Dürer (1471–1528), der damals in Albanien
akzeptiert war. Dessen etwa 350 Holzschnitte sowie über 100 Kupferstiche und Radierungen zeichnen sich durch künstlerische und technische Vollkommenheit aus. Dürer war seinerseits von der altniederländischen Malerei eines Jan van Eyck und Roger van der Weyden beeinflusst.
Die Hälfte des Schaffens von Taso ist vom Sozialistischen Realismus bestimmt – heute gehören diese Werke für ihn selbst in eine andere Zeit. Den Vorgaben des Sozialismus entsprechend, dokumentierte Taso in graphischen Blättern die Industrialisierung seines Landes und beteiligte sich an staatlichen Aufträgen. Unter Leitung von Vilson Kilica, einem der Hauptvertreter des Sozialistischen Realismus, arbeitete er 1981 in dem Team mit, das das große Mosaik mit der Darstellung der Geschichte Albaniens schuf; es ziert noch heute die Fassade des Nationalhistorischen Museums von Tirana. Zu sehen sind die stilisierten Helden der albanischen Geschichte, von den Illyrern und den Kämpfern Skanderbegs gegen die Türken, über die albanische Wiedergeburt und die Bauernaufstände des 19. Jahrhunderts bis zu den Partisanen des 2. Weltkrieges. Die Inhalte wurden von der Akademie der Wissenschaften festgelegt. Er hat 2 ½ Jahre daran gearbeitet und neben dem Geld für angestellte Künstler zur Fertigstellung 15 Dollar bekommen. Diese harte, westliche Währung bedeutete in dem armen Land viel. Nach diesem Auftrag kehrte er 1982 mit seiner Familie zurück nach Pogradec, weil dort weniger Konkurrenz war. Dort fand er seine eigenen Themen wie Stillleben, Landschaft, Volksleben, Darstellung des Alltags, Portraits und immer wieder die Familie. In seinem graphischen Werk sind aber auch zahlreiche Bilder von Industrieanlagen zu finden, denn Pogradec war im Kommunismus ein Zentrum des Bergbaus und der Nahrungsmittelindustrie.
Fotos: Matthias Pommranz
Beitragsbild: Frieder Weinhold
Der Künstler ist sehr vielseitig und hat keinen festgelegten Stil. Durch die strengen Vorgaben des Sozialismus entstanden bis 1991 Auftragswerke: Seine Malerei ist vom Realismus beeinflusst. Beeindruckend sind seine graphischen Arbeiten. In Linol- und Holzschnitten erfasst er mit einfachen Formen die Landschaft. Bei Stadtansichten wechselt er die Perspektiven, schichtet die Häuser ineinander und zeigt dadurch die engen Gassen in den verschiedenen Jahreszeiten. In Innen- und Außenräumen stellt er Menschen und Volkserzählungen dar. Die Volkskultur mit Volkstanz und Trachten wurde von der kommunistischen Regierung gepflegt und war daher auch bildwürdig.
Seit er künstlerisch arbeitet, fertigt Taso regelmäßig auch Selbstportraits an. In allen Techniken hat er sich jahrelang mit allen seinen Stimmungen und Alterungsprozessen erforscht. Ungeschönt blickt er in die Welt. Mal skizzenhaft dargestellt, mal ausgearbeitet, immer wieder anders. Es entstanden ca. 130 Arbeiten auf Papier und mehrere Gemälde.
In den letzten Jahrzehnten hat Taso zahlreiche Ansichten von Pogradec gefertigt. In farbenfrohen Bildern schildert er seine albanische Heimat. Malerisch eingebettet liegt der blaugrüne See mit
dem kristallklaren Wasser zwischen grün bewaldeten, bis zu 2200 Meter hohen Bergen des Galičica-Gebirges. Farbe ist Licht – und genau darum geht es in den sommerlichen lichtdurchfluteten Landschaftsbildern. Das Spiel der Formen bis hin zur Abstraktion beherrscht der Künstler. Es scheint aber zu unpersönlich, denn immer wieder orientiert er sich an der realitätsnahen Gegenständlichkeit.
Seit 1983 stellt Taso in Einzel- und Gruppenausstellungen in Albanien und später in den USA, Deutschland, Frankreich Holland, Makedonien, Rumänien und Bulgarien aus. Zahlreiche Bilder befinden sich in Privatbesitz, auch beim Christlichen Hilfsverein in Wismar und Tirana.
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