Luftbild Vaskopoja

Voskopoja, die verlorene Stadt

Etwa 50 km südlich von Pogradec liegt ein verborgenes Juwel albanischer Geschichte: Voskopoja, zu früheren Zeiten ein bedeutendes kulturelles Zentrum.

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Wer heute nach Voskopoja kommt, kann die einstige Blüte dieser Kulturstadt kaum erahnen: Die Ansammlung von alten Steinhäusern und die gepflasterten Straßen dazwischen machen einen eher verwaisten Eindruck, als würde man nach Jahren an einen zurückgelassenen Ort zurückkehren. Direkt gegenüber dem verblichenen kommunistischen Denkmal findet sich eine gemalte Tafel, die diesen Eindruck wettzumachen sucht: Das touristische Dorf Voskopoja mit über 670-jähriger Geschichte weist auf seine historische Bedeutung hin.

Seit 1330 bewohnt, war Voskopoja 1764 auf dem Höhepunkt seiner Blüte. Mit 30.000 Einwohnern war es größer als Athen, Sofia und Belgrad seiner Zeit und war seinem Umfeld auf dem Balkan in vielem voraus: Voskopoja besaß eine Akademie, eine Bibliothek, eine Druckerei und vierundzwanzig Kirchen. Die „Neue Akademie“ war 1744 gegründet worden und betrieb philosophische Studien; es wurden Mathematik, Physik und Vorstufen von Ökonomie gelehrt. Handwerksmeister aus Voskopoje waren für ihre Schmuckherstellung und Waffenverzierung auf dem ganzen Balkan bekannt. Die Händler der Stadt bereisten andere Länder bis nach Zentral- und Osteuropa, während die Bewohner Voskopojes an drei Sprachen Anteil hatten: an der griechischen, der aromunischen und der albanischen.

Voskopoja Stadtbild
Diese Nachbildung einer Gravur aus dem Jahre 1742 befindet sich an einer der verbliebenen Kirchen und verkündet die einstige Größe und Schönheit des alten Voskopoja
Voskopoja Apsis
Die Apsis ist eines der wenigen Merkmale, das in der Zeit der Türkenherrschaft als äußeres Zeichen einer Kirche erlaubt war

Das Aromunische und das Albanische sind bis heute Sprachgut der Voskopojer geblieben, alle andere Pracht und Berühmtheit der Kulturstadt wurden Vergangenheit: Von 1769 bis 1789 ging ein Krieg nach dem anderen über das Land hinweg, Zerstörungen und Plünderungen machten auch vor dieser orthodoxen und geistigen Hochburg nicht Halt. Heute gibt es nur noch vage Anzeichen der damaligen Ausdehnung der Stadt: Weit entfernt von der heutigen Ansiedlung gibt es verstreut Brunnen und ein Bewässerungssystem. Die Felder und Raine sind ungewöhnlich übersät von Steinen, die stumm und unbeachtet an die Häuser und Höfe des alten Voskopoje erinnern.

Was bleibt? Noch stehen acht Kirchen von vierundzwanzig, noch mahnen die verfallenen Gemäuer, den Überrest der einstigen Schönheit nicht auch noch zu verlieren. Findet eine große Geschichte doch noch eine Zukunft?

Shen Prodhromi, Voskopoja
Das Kloster Shen Prodhromi liegt idyllisch oberhalb des weiten Tales von Voskopoja
Voskopoja Innenraum
Die Fresken haben ihren desolaten Zustand seit der kommunistischen Zeit, in der Kirchen als Ställe oder Armeegebäude entfremdet wurden, nicht verloren
Voskopoja Babylon
Fresko: Der Untergang Babylons
Voskopoja Apokalypse
Apokalyptische Szene an der Außenwand einer Kirche: Naturkatastrophen und Drangsal am Ende der Zeiten

Wandmalereien in Voskopoja

Die Malerei hatte zwischen dem 13. und dem 18. Jahrhundert ihre Blütezeit innerhalb der byzantinischen Kunst in Albanien. Nach strengem Kanon wurden neu errichtete Kirchen mit Fresken verziert, die meist Heilige oder aber auch den Stifter des Gebäudes darstellten. Besonders aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts existieren noch eine Reihe Bildnisse von geistlichen Würdenträgern und Mitgliedern des Adels.

Die Fresken Voskopojes vier Jahrhunderte später spiegeln jedoch eher die neue Emanzipation der Kulturstadt wider. Der Maler tritt mit der Signatur seines Werkes aus dem Schatten der Anonymität heraus, während bei früheren Wandmalereien die Bildunterzeichnungen fehlen.

Ein besonderer Themenbereich des 18. Jahrhunderts war die Darstellung der Offenbarung des Johannes, wie sie in den unteren beiden Fotografien zu sehen ist. Mit ihr spielten die Maler besonders auf die Zustände der osmanischen Herrschaft über das albanische Volk an und legten die Hoffnung hinein, dass deren Ende – wie das Weltende – bald kommen würde.

Claudia Hanisch, aus: Albanienheft 2002

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